Ein Jahr im Weinberg
Die Arbeit der Winzer ist schwere, körperliche Arbeit. Sie richtet sich nach dem Rhythmus der Natur und der Jahreszeiten. Die Winzer müssen jedes Jahr aufs Neue den Weinberg bearbeiten, mit viel Erfahrung den bestmöglichen Zeitpunkt der Lese bestimmen und sind dabei das ganze Jahr über den Launen der Natur ausgesetzt. Natürlich wird die Arbeit im Weinberg durch technische Hilfsmittel unterstützt, aber die eigentliche Arbeit ist eine Handwerkskunst, die im Sinne des Wortes auch nicht technisiert werden kann. Und so hat jeder Winzer und dessen Weine eine eigene individuelle Handschrift. Die Kunst des Winzers besteht folglich darin, die Besonderheiten der Rebsorten und die verschiedenen Charaktere der Lagen und der Böden in den Weinen widerzuspiegeln und das Beste aus ihnen herauszuholen. Schauen wir dem Winzer ein Jahr lang über die Schulter …
FRÜHJAHR
Der Rebschnitt
Das Weinjahr beginnt im Januar und Februar mit dem Rebschnitt, noch vor dem Austrieb im Frühjahr. Um Wuchs, Ertrag und Traubenqualität in einem günstigen Verhältnis zu halten, müssen die Rebstöcke auf ca. 8–12 Augen (Knospen) je Quadratmeter zurück geschnitten werden. Dabei wird möglichst viel altes Holz entfernt und die Zahl der „Fruchtruten" bestimmt. Eine geringe Anzahl an Fruchtruten ergibt oftmals einen hochwertigen Wein, da die wertvollen Inhaltsstoffe nicht auf zu viele Trauben verteilt werden müssen. Der Schnitt ist im Prinzip eine Ertragssteuerung zu Gunsten der Qualität. Der Rebschnitt ist am Bodensee nach wie vor noch echte Handarbeit, für die die Winzer oft viele Wochen benötigen.
Auf Biegen und Binden
Im März und April beginnen die Reben zu „bluten" – so nennt man den Saftaustritt an den Schnittwunden. Nun werden die Fruchtruten nach unten gebogen und gebunden. Bei diesen Bindearbeiten stehen die Winzer oft im wahrsten Sinne des Wortes gut und gerne „im Regen", denn die feuchte Witterung verhindert, dass die Ruten beim Biegen brechen. Durch das Biegen und Binden wird eine gleichmäßige Verteilung der Triebe erreicht. Die Rebe wird sozusagen in Form gebracht. Man spricht auch von der Reberziehung. Wichtig sind eine günstige Belichtung und eine luftige Laubwand. Ab April werden die Böden immer wieder bearbeitet und aufgelockert.
Die Rebe erwacht
Ende April bzw. Anfang Mai kommt es zum Austrieb. Als Austrieb wird das Aufbrechen der Knospen (Augen) bezeichnet, die beim winterlichen Rebschnitt stehen geblieben sind. Sie öffnen sich und lassen kleine, grüne Blätter austreten, die rasch wachsen und sich entfalten. Bedingung für den Austrieb ist ein Anstieg der Durchschnittstemperatur auf acht bis zehn Grad Celsius. Der Winzer kann diese Entwicklung schon einige Tage vorher erkennen. Erst treten an den Schnittstellen der Reben Tröpfchen auf – ein Zeichen dafür, dass die Winterruhe beendet ist. Danach schwellen die Knospen sichtbar an.
"Wein ist ein Spiegel,
man kann darin die
Besonderheiten der
Landschaft und eines
jeden Jahres entdecken.“
Prinz Bernhard Markgraf v. Baden
SOMMER
Blütezeit
Während der Blüte im Juni benötigen die Reben möglichst viel Ruhe. Die Zeit der Selbstbefruchtung beim Wein sollte von kurzer Dauer sein, um eine Verrieselung (Verblühen ohne Befruchtung) zu vermeiden. Läuft die Befruchtung schlecht, kann die Erntemenge stark eingeschränkt sein. Um ein Abbrechen der Reben zu verhindern, werden die am Bogen wachsenden Reben in dieser Zeit „aufgebunden oder eingekürzt“. Damit werden die einzelnen Reben auf die gewünschte Länge gestutzt. Nach der Blüte werden vom Winzer mitunter Fruchtansätze weggeschnitten, um den Ertrag zu mindern und damit besonders gute Qualitäten zu ernten.
Laubarbeiten und Reifezeit
Während der ganzen Wachstumsperiode zwischen Juni und August sind die Weingärtner mit Laubarbeiten beschäftigt. Im Frühsommer müssen durch den Laubschnitt Blätter entfernt werden, um den Trauben mehr Licht zu geben und die Durchlüftung zu garantieren. Gut durchlüftete Reben trocknen nach Regen schneller – Krankheiten und Fäulnis, die sich in stehender Feuchte in den Pflanzen bilden können, werden natürlich eingedämmt. Genug Blätter müssen der Rebe jedoch bleiben, um durch die Photosynthese ausreichend Zucker zu produzieren. Ausreichende Versorgung sichert nicht nur das Überleben der Pflanze, sondern auch die geschmackliche Reife der Trauben. Sie benötigt diverse Nährstoffe, die direkt oder indirekt mittels der Blätter gewonnen werden. Wenn Mitte bis Ende August die Reifephase eintritt, beginnen die Weingärtner mit der sogenannten „grünen Lese“. Durch das Entfernen einiger schon erbsengroßen Beeren, erhalten die verbleibenden Beeren mehr Kraft. Dadurch werden ein gutes Blatt-Frucht-Verhältnis und später eine optimale Traubenqualität erreicht. Ende August/Anfang September werden die Trauben dann „weich“. Von nun an beeinflusst die Witterung in verstärktem Maße die Entwicklung der Trauben, die Qualität und das Mostgewicht.
HERBST
Wimmeln im Weinberg – die Weinlese
Wenn sich der Sommer langsam verabschiedet und die Tage kürzer werden, ist es dann endlich soweit: Die Früchte der monatelangen Arbeit können im September geerntet – „gelesen“ werden. Zucker, Säure, PH-Wert und andere Parameter sind für den gewünschten Reifegrad der Trauben ausschlaggebend. Durch die Vielzahl der Rebsorten, darunter gibt es (sehr) früh, mittel und (sehr) spät reifende, zieht sich die Weinernte gewöhnlich über mehrere Wochen hin. Der Witterungsverlauf im Herbst ist dafür ausschlaggebend, ob ein Jahrgang nach Leseabschluss als gering, mittel, sehr gut oder gar als Spitzen – oder Jahrhundertjahrgang eingestuft wird. Ruhiges Herbstwetter mit sonnigen Tagen und kühlen Nächten erlaubt es den Winzern die Lese hinauszuschieben und dadurch eine noch bessere Traubenqualität zu ernten. Bei zu vielen Regentagen kann der Traubenbehang faulen, dann wird der Lesetermin vorgezogen. Die Weinlese erfolgt am Bodensee größtenteils per Hand und ist harte Knochenarbeit in den Reben. Die Auslese per Handarbeit ermöglicht die Ernte sämtlicher Trauben zum optimalen Zeitpunkt. Das Lesegut muss anschließend möglichst schnell und unversehrt im Kelterhaus weiterverarbeitet werden. Dort werden die Trauben zur Weißwein- und Roséherstellung gepresst. Die roten Sorten vergären erst einige Tage auf der Maische um den Farbstoff aus den Beerenhäuten herauszulösen.
WINTER
Still ruhen der See und der Weinberg
Nach diesen Strapazen kehrt im Weinberg Ruhe ein, die Arbeit des Winzers geht nun unter anderem in den Weinkellern weiter. Ab Dezember werden die Weine filtriert und zum Reifen in Fässer gelegt. Wenn die ersten Schneeflocken auf den See und den Weinberg rieseln, heißt es für den Winzer noch mal warm einpacken: der Rebschnitt beginnt teilweise schon nach der Weinernte. Im ausgehenden Winter werden die fertigen Weine nach Filtration in Flaschen abgefüllt. Dabei werden die Weiß- und Roséweine im beginnenden Frühjahr abgefüllt, die Rotweine bleiben je nach Ausbau länger in den Fässern liegen. Der Winter ist nach der Erntezeit die etwas weniger körperlich anstrengende Zeit im Weinbau.