Restaurierung der MS Altenrhein
Neuer Glanz für historisches Schiff

Schleifpapier mit grober 60er-Körnung. Wie oft David Dornier, Enkel von Flugzeugpionier Claude Dornier, auf seiner Exzenter-Schleifmaschine gebrauchtes gegen neues ausgetauscht und beinahe unermüdlich Stunde um Stunde weitergeschliffen hat, kann er nicht sagen. Getan hat er es, um ein Familienerbe zu retten: die Altenrhein, das 1927 gebaute einstige Schlepp- und Passagierschiff des legendären Flugschiffs Do X.

Nachdem sie jahrzehntelang verschwunden war, manche gar unkten, es gäbe sie nicht mehr, ist die Altenrhein jetzt wieder am Bodensee – und wird liebevoll restauriert.
„Ein Schiff kann doch nicht fliegen“ – dieser Satz galt bis zum 12. Juli 1929 als Binsenweisheit. Dann, mit dem Abheben der 40 Meter langen und 10,1 Meter breiten Do X, dem seinerzeit größten Flugzeug weltweit, das eine Flügelspannweite von 48 Metern und ein Abfluggewicht von 52 000 Kilogramm hatte, wurde die Menschheit eines Besseren belehrt.

Auf historischen Fotos rund um das "fliegende Schiff" ist zu sehen, wie die Altenrhein Passagiere zur Do X befördert, wie sie mit dem schlanken Rumpf und dem hohen Bug unter dem Riesenschiff anlegt oder wie sie die gewaltige Do X schleppt.

Im Vergleich zur Do X mutet die seinerzeit von Flugzeugpionier Claude Dornier in Auftrag gegebene Altenrhein relativ klein an. Doch mit 15 Metern Länge, einer Breite von 2,8 Metern, einem Tiefgang von maximal 1,53 Metern und einer Verdrängung von sieben Tonnen ist sie das ganz und gar nicht.

Die Altenhein ist gestrandet und sucht ein neues Abenteuer

"Dieser Satz in einer E-Mail des damaligen Schweizer Schiffseigners aus dem Oktober 2019 ans Dornier Museum in Friedrichshafen weckte sofort unser Interesse“, erinnert sich Julia Menzer, Sammlungsleiterin, Ausstellungskuratorin im dortigen Museum und mittlerweile begeisterte Altenrhein-Liebhaberin.

„Schnell war allen Beteiligten klar, dass es sich hierbei wohl um den bedeutendsten Zuwachs unserer Sammlung der vergangenen Jahre handeln würde. Die Bedeutung der MS Altenrhein als Schlepp- und Passagierschiff der legendären Do X sowie ihr nahezu vollständiger Erhalt sprachen dafür.“ Das Besondere an der ganzen Geschichte: Obwohl der Schweizer Eigner auch andere Interessenten für das Schiff hatte, schenkte er es dem Museum. Das ließ es von seinem Liegeplatz an einem Elsässer Kanal zurück an den Bodensee holen. Hier wurde das das Arbeitsschiff im Jahr 1929 erstmals in Dienst gestellt.

Was die Museumscrew bis dato noch nicht wusste: Claude Dornier selbst sah dem Erstflug der Do X am 12. Juli 1929 von der MS Altenrhein aus zu. „Das Fahrzeug ist als Backdeckkreuzer entworfen“, heißt es in den technischen Papieren, die Julia Menzer im Wirtschaftsarchiv in Stuttgart-Hohenheim gefunden hat. Und weiter: „Die Kajüte hat zwei Längssofas mit abnehmbaren Kissen und Seitenpolstern mit erstklassigem Bezug. Ihr ursprünglicher Zustand und ihr Aussehen können in mühevoller Arbeit aus verschiedenen Quellen Stück für Stück nachvollzogen werden.

Wie die alte Dame wieder zum Schmuckstück werden soll

Wieder zurück am Bodensee, liegt das Schiff tatsächlich wie gestrandet in einer Depothalle am Bodensee-Airport, man sieht, dass der Zahn der Zeit an ihm genagt hat. Trotzdem sind Projekt-Supervisor Hans-Joachim Landolt von der mehr als 100 Jahre alten Yacht- und Bootswerft Michelsen in Friedrichshafen und sein Nachfolger, Werftchef und Bootsbaumeister Karsten Timmerherm, wie auch David Dornier von der alten Dame begeistert.

Landolt, Experte fürs Restaurieren von Oldtimern, hat Respekt vor der Ingenieursleistung der damaligen Schiffsbauer, und sagt: „Es ist eine tolle Aufgabe und gleichzeitig eine Herausforderung, dieses Schiff zu restaurieren, so viel wie möglich von der alten Substanz zu erhalten.“ Zweifel am Gelingen des Vorhabens hat er angesichts der vielen Arbeit, die auf das Team zukommt, nicht.

„Anhand unserer Planungen würde ich davon ausgehen, dass bislang sowohl von Seiten der Werft als auch von ehrenamtlicher Seite jeweils knapp an die 500 Stunden investiert wurden“, sagt Julia Menzer. Fast komplett in Eigenregie habe David Dornier die Außenhaut abgeschliffen. Bootsbauer, Metallspezialisten u.v.a. sind hier in vielen Studen am Werk.

David Dornier: Eine besondere Beziehung

David Dornier, der frühere Direktor des Dornier Museums, hat eine ganz besondere Beziehung zu dem Schiff – nicht nur, weil er selbst ein „Böötler“ ist, wie er schmunzelnd sagt. Sein Vater Silvius hatte ihm von einem Schiff erzählt, das einst im Schutz der Dunkelheit beladen und nachts über den See in die Schweiz gefahren wurde ...

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Beim Ausräumen der Altenrhein
wurde ihm schlagartig klar: Es muss genau dieses Schiff gewesen sein,
von dem sein Vater damals gesprochen hatte.

Mit seiner Hilfe war Ende der 1920er-/Anfang der 1930er-Jahre offenbar Material für den Bau der Do X in die Schweiz gebracht worden. Deutschland war, weil es den Krieg verloren hatte, mit einem Flugzeugbau-Verbot belegt worden. Derzeit liegt die Altenrhein in der Werft in Friedrichshafen-Seemoos. Die Halle dort ist größer als der Dornier-Hangar, wo sie bisher war. Trotzdem wirkt das Schiff imposant. Sobald Teile des Kiels ausgetauscht sind, wird der Rumpf mit weißem Lack beschichtet. Auf das Unterwasserschiff kommt Kupferbronze. „Wir orientieren uns bei unseren Arbeiten an der Baubeschreibung, die wir aus dem Wirtschaftsarchiv in Stuttgart-Hohenheim haben“, berichtet Julia Menzer. Die Devise laute:„Möglichst original, aber praktikabel. Die MS Altenrhein war ein Arbeitsschiff. Das soll sie auch bleiben.“

„Natürlich bleibt noch sehr viel zu tun“, sagt die Sammlungsleiterin und Kuratorin. Was sie immer noch sehr beschäftigt, ist der „weiße Fleck“ beim Versuch der Rekonstruktion, das Aussehen der Kajüte. „Hierzu haben wir leider nach wie vor kein einziges Foto, lediglich die Baubeschreibung gibt Hinweise hierauf. Das wäre wirklich ein echtes Geschenk, wenn sich irgendwo noch ein Foto fände“, sagt Menzer.

Wo ist die Manzell?

Nach wie vor ist der Verbleib des Schwesternboots der Altenrhein, der Manzell, ungeklärt. Deren Spur verliert sich nach der Ausmusterung der Do X 1 im Jahr 1933 – von dem riesigen Flugschiff wurden seinerzeit drei Exemplare gebaut.

„Sollte es die Manzell noch geben, weiß der derzeitige Eigentümer mit großer Wahrscheinlichkeit nicht, dass er Eigner des ehemaligen Schleppboots der Do X ist“, sagt Rainer Petrowitz, Altenrhein-Freund und Winterlagermeister des Württembergischen Yachtclubs in Friedrichshafen, der das Projekt unterstützt. Seine Hoffnung: Vielleicht meldet sich derjenige, wenn er über die Medien von der Altenrhein und deren Restaurierung erfährt.

Text und Bild: Schwäbische.de - Hildegard Nagler

Noch mehr Infos rund um die MS Altenrhein und den Fortschritt zur Restaurierung gibt es hier: www.die-altenrhein.de

oder beim DornierMuseum Friedrichshafen.